Soviel ich in meinem Leben an Bergen gesehen habe, nichts kommt in meinem Herzen den Julischen gleich.
Julius Kugy, 1925 - Österreichischer Bergsteiger und Schriftsteller
Tocai muss nun Friulano genannt werden
Entspannt sitzen wir nach der Tour bei einem Glas Friulano, der nun nicht mehr Tocai heissen darf. Der fruchtig-herbe Weisse mundet uns. Mit Roberto, dem Besitzer der Taverne Filli und Albergo Martina, sich zu unterhalten macht Spass. Er rät uns zu einer Bergwanderung; morgen die Cima di Terra Rossa, 2420m zu besteigen.
Am nächsten Morgen fahren wir mal ins Val Raccolana auf die Sella Nevea, 1‘200 m. In dreieinhalb Stunden steigen wir steil auf gutem Pfad am Rifugio Giacomo di Brazzà vorbei auf. Der Pfad ist, wie Roberto erzählte, im 1. Weltkrieg¹ von der Armee gebaut worden. Auf dem Gipfel haben wir wieder eine überwältigende Aussicht auf die umliegenden mächtigen Kalktürme, Gipfel, Gräte, Rinnen und Muren. An einigen Orten sind zugewachsene und eingefallene Schützengräben zu sehen.
Auf der Weiterfahrt nach Tarvisio erfrischen wir uns juchzend im frischen Lago di Predil.
¹ Ein Thema für sich: Der 1. Weltkrieg oder wie er in Italien genannt wird; der Grosse Krieg

Bergseen
Es war warm in der Höhe und wir wünschten uns jeden Tag einen See, der uns zum Baden verführt, welche Wohltat. Wunderbare Bergseen mit kristallklarem Wasser in idealer Badetemperatur haben wir einige angetroffen. In Kalk- und Karstgebirge würde man eher vermuten, dass das Wasser in den Untergrund versickert und dort gestaut wird. Doch es haben sich auch Seen bilden können.
Drei Seen haben uns fasziniert mit ihrem Tiefgrün, eingebettet in Wäldern. Der Lago del Predil und die beiden Fusine-Seen in der Nähe Tarvisio werden rege besucht; Baden, Fischen und stand up Padeln. Auch Campieren scheint erlaubt oder toleriert zu sein. Südlich von Tolmezzo in der Ebene und ausserhalb des Hochgebirges liegt etwas versteckt der Lago di Cavazzo. Es ist ein Genuss zum Baden. An einem Sonntag und im August wirst du nicht alleine sein. Dafür gibt es in der Bar nebenan vieles mehr als nur einen feinen Café! Herrlich gebadet und erfrischt haben wir uns auch in der Résia im Val Résia.

Bergwandern
Die Bergwanderungen in den Julischen Alpen sind abwechslungsreich. Aber. Zuerst muss Höhe gewonnen und die Waldgrenze – auf 1‘500 - 1‘700 m – überwunden werden. Keiner der Gipfel erreicht 3‘000m Höhe, die Täler sind auf 500 - 700 m.ü.m, und trotzdem: das Gebirge hat eindeutig alpinen Charakter und die Wege sind meist entsprechend steil. Wandernd kommen wir weit, bis unter die Wände, ab und zu auf Gipfel wie den Cima di Terra Rossa, 2420 m und Monte Sart, 2324 m. Wer weiter will, auf den wartet meist ein Klettersteig.

Klettersteige - Via Ferrata
Das steile Gelände und mancherorts das Erbe der Kriege sind Gründe für die zahlreichen und verbreiteten Klettersteige. Häufig endet das Bergwandern am Zustieg zum Klettersteig. Über die Qualität dieser «Eisenwege» können wir nichts aussagen, da wir keinen begangen sind noch Informationen über diese verfügen.

Wanderwege
Die Wege sind in den Julischen Alpen gut dokumentiert, super ausgeschildert und sie sind auch unterhalten und gepflegt. Die steile Anlage der Wege ist anstrengend, doch die Täler sind nun einmal stotzig. Der Schweiss treibt, es ist noch zum Aushalten, und da die Wege steil sind, kommt man auch schnell vorwärts in die Höhe bis an den Fuss der eindrücklichen Wände. Wie erwähnt, nun geht es nicht mehr weiter hinauf, ausser man steigt auf einen Klettersteig ein.

Die wilden und schönen Täler
Im Val Résia und bei den Fusini-Seen – als Beispiele – schränkt die Höhengrenze die Wander:in nicht ein. Ein gut angelegter Weg führt als eine Art Höhenweg im Tal weiter oder führt gar auf die andere Talseite. Auf der Sella Nevea, im Val Raccolana, führt eine Seilbahn hoch oder runter für schöne Wanderungen im Steinbockgebiet. Bivakschachteln und Rifugi sind zahlreich. Erstere sind nicht bewartet, die Rifugi sind veritable Berggasthäuser. Tagesausflügler:innen besuchen diese und die Wanderer:in wird gut verpflegt. Wir wollten unbedingt die mir unbekannten Cjarsons probieren, es waren ausgezeichnete friulanische Ravioli.
Das wildeste und steilste Tal, das wir kennen, ist das Val Dogna. Umgekehrt ist Valbruna – in der Fortsetzung des Val Dogna auf der Ostseite der Sella di Somdogna – das offenste Tal. Der Talboden ist weit, flach und am Ende steile Wände.

Wo bleiben die Menschen
In den Julischen Alpen haben wir in den Seitentälern kaum Dörfer und dauerhaft wohnende Einheimische angetroffen, ausgenommen im Val Résia und Valbruna. Die grösseren Orte liegen im Haupttal, im Val Canale. Dennoch bleibt die Frage: Von was haben die Menschen gelebt und leben sie heute. Nutztiere haben wir fast keine gesehen, Bauernhöfe oder Alpen sind fast inexistent: zu steil sind die Täler. Überraschenderweise werden die wenigen Grasflächen auch nicht gemäht.
Ganz anders hingegen in den westlich gelegenen Karnischen Alpen sind Alpen und Alpwirtschaft immer noch verbreitet. Das Gelände ist auf mittlerer Höhe auch weniger steil.
Roberto erzählt, im Val Résia gab es zu wenig Arbeit. Deshalb seien die Männer früher als Scherenschleifer, sogenannte «Arrotini», durch ganz Europa gezogen. Sie sicherten ihren Familien zu Hause das Überleben. Die ganzen Julischen Alpen sind stark bewaldet, der grösste Teil ist Wald im Staatsbesitz und wird als Nutzwald genutzt. Auch früher waren Wald und Holzverarbeitung die wichtigste Einnahmequelle.
Übrigens. Das Val Résia ist landschaftlich und kulturell aussergewöhnlich; Im abgeschiedenen Tal hat sich ein uralter slawischer Dialekt erhalten, der immer noch von ein paar hundert Menschen gesprochen wird.

Das Wild
Einheimische und Parkwächter der zwei Naturschutzgebiete wissen um die Orte, wo es Wild zu beobachten gibt. Steinböcke haben wir sogar familienweise gesehen, neugierig und wenig scheu im Gebiet der Sella Nevea. Wir waren erstaunt, selten das Pfeifen der Murmeltiere zu hören oder sie beobachten zu können. Das Vogelgezwischer in manchen Tälern konnten wir nicht zuordnen, einige Male haben wir Steinadler und mglw. einen Bartgeier im ruhigen Kreisen weit über uns gesehen. Es soll auch Luchse, Bären und Wölfe geben.

Tagliamento
Die Julischen Alpen sind eindrücklich wie ein Hochgebirge, auch der Tagliamento löst Staunen aus. Er ist der letzte Alpenfluss, der heute noch ursprünglich und unverbaut ist. Sein ausgedehntes Schotterbett mit verzweigten Gerinnen verändert sich bei jedem Hochwasser und es bilden sich Inseln, Tümpel und freie Schotterflächen. Der Tagliamento ist 170 Kilometer lang, bis 1.5 km breit und mündet in die Adria.

Chiusaforte
Zum Abschluss unserer Touren-Wochen kehren wir zurück zu Roberto, unserem Gastgeber der Taverne Filli Martina und Albergo Martina, Chiusaforte.
Das kleine Hotel mit nur vier Zimmer haben wir gleich ins Herz geschlossen. Roberto führt das Haus in der vierten Generation, und mit Flair hat er alt und neu ausgewählt zusammengeführt. In der früheren Küche mit einem Raum grossen Kamin steht der alte Holzherd, restauriert; ein Bijou voller Geschichte(n). Vier grosse Kochtöpfe konnten eingeheizt werden und die Gäste wärmten sich früher auf einer Sitzbank rundum. Heute ist der authentische Raum Taverne Filli Martina sehr gemütlich für eine schöne Tavolata.

Julische Alpen, Alpi Giulie
Namen, Begriffe
Julische Alpen, italienisch Alpi Giulie, sind grenzüberschreitend in Österreich, Slowenien und in der italienischen Region Friaul-Julisch Venetien. Westlich sind die Karnischen Alpen – Alpi Carniche.
Triglav, 2684 m
Der höchste Berg der Julischen Alpen liegt in Slowenien
Kartenmaterial
Topographische Wanderkarten, 1:25‘000 von Tabacco
Anreise
Mit Bahn bis Trieste Flughafen.
Weiterreise in den Julischen Alpen mit Mietwagen.
Haftung
BergFrau übernimmt keine Haftung für Wege und Wanderungen. Sie ist Sache der Wandernden. Haftung ausgeschlossen!