Eine Strasse, nein danke ...
Noch ist die Strasse ins Dolpo nicht gebaut
Wir Trek-Touristen geniessen die Idylle, die Einheimischen wollen den Fortschritt!
Es ist ein langer Trekkingtag geworden hier im Upper Dolpo. Wir sind weit ab der Zivilisation, wo es weder Mobiltelefone noch Elektrizität gibt. Wir kommen müde und verstaubt an im Dorf Takyo im Dho-Tal. Glücklich und durstig sind wir alle der BergFrau-Gruppe nach einem zähen Abstieg. Da kommt ein junger Mann auf uns zu, Sonam mit Namen, wie es sich im Gespräch herausstellt, und er spricht mich in erstaunlich gutem Englisch an, das ich nicht erwartet habe. Ich bin verblüfft.
Schwarzhals-Kraniche ziehen weiter
Es sind für einmal nicht die gleichen Fragen, sondern er fragt mich doch etwas scheu: «Magst du mit mir englisch reden? Ich kann es noch zu wenig gut, aber ich will es gut lernen, damit ich von euch viel lernen kann.» Er hat einen guten Wortschatz und eine überraschend klare Betonung, das merke ich schon mit den ersten Worten.
Schwarzhals-Kraniche ziehen über uns weg vom Tibet Richtung Süden. Die Nächte sind schon kalt jetzt im Oktober. Den Winter verbringen sie in tiefer gelegenen Tälern in Bhutan und China. Woher Sonam wohl den Anstoss bekommen hat, die Sprache zu lernen? Und. Wie hat er sie gelernt, frage ich mich. Meine Gäste um mich herum sind auch neugierig geworden.
Was? Eine Strasse ins Dolpo? – Unmöglich!
Er lädt uns ein zum Buttertee. Englisch habe er mit einem Geologen gelernt. Dieser habe zwei Jahre bei seiner Familie gewohnt. Nein, er gehe selten aus dem Tal. Im nahen Tibet kaufe er ab und zu Maultiere. Auch sei er einmal in die Hauptstadt gegangen wegen einer Operation der Mutter. Kathmandu gefalle ihm nicht: Kein Land zum Anpflanzen, er wisse nicht, wohin schauen, so laut und schnell der Verkehr um ihn herum. Aber er freue sich, wenn das Tal endlich mit einer Strasse erschlossen sein werde.
Aber eine Strasse zum Phoksundo-See !?
Wir sind glücklich in der Idylle fernab von allem Überfluss und Überdruss. Und Sonam bereitet sich heute schon vor, wenn die Moderne bald zu ihm kommen wird. Die Strasse wird gebaut werden. Zwei, drei Jahren soll sie bis zum Phoksundo-See gebaut sein. Das Tal ist eng, wir werden in Zukunft auf der Strasse gehen müssen. Der Spatenstich ist bereits gemacht.
Buddhistische Kultur in Dolpo
Ein Trekking in und durch Dolpo ist eine wahre Zeitreise ohne Mobile und bloss mit Sonnenenergie. Einfach aussergewöhnlich und einmalig! Dolpo gehört (noch) zu den abgeschiedensten Gegenden der Welt und ist eingeschlossen von gewaltigen Gebirgsketten des Himalaya. Die buddhistische Kultur ist deshalb in Dolpo über die Zeit erhalten geblieben. Ein Erlebnis!
Heiliger Kristallberg, Shey Gompa
Was den Tibetern der Kailash, ist den Menschen hier der Kristallberg, der heiligste Berg. Wir besuchen selbstverständlich das wichtige Zentrum der Bön-Kultur, Kloster und Pilgerort der Region, Shey Gompa. Mein einheimischer Führer Santa begleitet uns. Er ist der «Türöffner» für Land und Leute hier in Dolpo und Mugu.
Fortschritt: Zukunft für die Kinder
Zurück zu Sonam. Als Ältester ist er nie zur Schule gegangen, er musste arbeiten. Die tibetischen Kinder Nepals gehen in Privatschulen, die von aussen unterstützt werden müssen, wollen sie in ihrer Sprache lernen. Doch die Schulen sind dünn gesät in diesen abgelegenen Hochtälern, fernab der Moderne, wo wir nur zu Fuss hinkommen können. Die Landwirtschaft ist in Höhen über 3'500 m spärlich und mit wenig Entwicklungspotenzial. Welche Zukunft gibt man diesen Kindern?
Sonam, du bist grossartig!
Sonam hat sie, «die Zukunft» gepackt. Im Selbststudium hat er englisch gelernt. Mit einem Sprachbuch büffelt er selbst Wörter und Grammatik. Und die Fremden nimmt er sanft und bestimmt in Beschlag und redet, diskutiert und fragt, was ihn grade beschäftigt. Das ist seine Form des Selbststudiums. Heute will er mehr wissen über natürlichen Landbau. Er fragt uns aus, als wären wir Bauern oder Agronomen. Auf nächstes Jahr will er ein Guesthouse bauen, damit wir nicht im Zelt übernachten müssten.
Sonam, du bist grossartig! Danke, dass wir dich kennenlernen durften. Bis bald.